‚Wir Kinder vom Kleistpark‘ ist ein singendes, tanzendes und musizierendes Ensemble aus Kitakindern, Grundschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Pindactica hat sich mit Elena Marx unterhalten, Diplom-Musikpädagogin und Verantwortliche für das Projekt.
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PINDACTICA: Guten Abend, Elena. Ich freue mich, dass Du Zeit hast, Dich mit mir über das Projekt zu unterhalten. Was machst Du und wie bist Du dazu gekommen?
ELENA MARX: Ich bin Diplom-Musikpädagogin für Klavier und Musik und Bewegung und ich arbeite zum Teil an einer Musikschule, in Berlin-Schöneberg, und in einer musikbetonten Kita. Das bedeutet, dass die Kinder täglich bei mir Musikunterricht haben. Zum Teil in gemeinsamen morgendlichen Singkreisen, oder aber auch in Kleingruppen. Wir haben gemeinsam eine Musikstunde, die aus Tanz, Instrumenten, Bewegung und Stimmübungen besteht.
WIR KINDER VOM KLEISTPARK
Das Projekt ‚Wir Kinder vom Kleistpark‘ hängt ganz dicht mit dieser Kita und mittlerweile auch mit der Schule zusammen. Die Kita heißt ‚Kita am Kleistpark‘. Ich hatte dort bereits eine Weile gearbeitet und habe Lust bekommen, die Kinder aufzunehmen. Mein Freund ist Musikproduzent und ich habe ihn gebeten, ob wir das zusammen machen können. Daraus ist eine CD entstanden. Und das Interessante an dieser Kita bzw. an der Arbeit daran war und ist, dass die Kinder aus ganz vielen Nationen kommen. Mittlerweile aus fünfunddreißig verschiedenen Nationen und das war vor einigen Jahren für mich ein ganz spannender Einstieg, weil ich noch nie so viele Nationen im Unterricht vertreten hatte. Und ich wollte den Eltern gerne ein kleines Zeugnis geben von dem was wir tun. Um zu zeigen, was möglich ist mit so vielen Menschen so unterschiedlicher Herkunft.
PINDACTICA: Wie alt sind denn die Kinder, mit denen Du arbeitest?
ELENA MARX: Also ich fange an, wenn sie in die Kita kommen und da sind sie oft noch Babys. Natürlich sind das nicht die Kinder, die anschließend auf den CDs landen. Dazu müssen die Kinder schon zwei oder drei Jahre alt sein. Es kommt natürlich auch darauf an, inwieweit Kinder bereit sind, sich vor einem Mikrofon zu äußern. Aber grundsätzlich beginnt die Arbeit mit dem Kita-Eintritt und dann geht’s los mit Singen und Tanzen.
GROSSE BUNTE WELT
PINDACTICA: Wie triffst Du die Auswahl für Die Lieder?
ELENA MARX: Also, ich gucke einerseits, woher die Kinder kommen und halte Ausschau nach entsprechenden Liedern. Mit der Zeit bin ich aber auch mutiger geworden, weil ich sagen muss: Je jünger die Menschen sind, desto unvoreingenommener sind sie und es ist ihnen im Grunde ganz egal, welche Sprache man singt. Und es amüsiert mich auch. Ich finde es charmant, wenn wir zum Beispiel ein afrikanisches Lied singen und es nicht unbedingt nötig ist, dass deshalb ein afrikanisches Kind da ist.
Ich denke, jeder Mensch, auch wenn er vielleicht in Berlin eine Minderheit darstellt, sollte ein Bewusstsein davon haben, dass die Welt bunt und groß ist, dass es außer Deutschland und der eigenen Nation, ganz, ganz viele Nationen gibt. Dass das eigentlich das Spannende am Zusammensein ist.
PINDACTICA: Hast Du selbst denn ein Lieblingslied? Gibt es ein Lied, das Dir besonders am Herzen liegt oder besonders Spaß gemacht hat?
ELENA MARX: Das ist ein afrikanisches Lied, es heißt ‚funga alafia‘. Dessen Text bzw. eigentlich die Bedeutung der entsprechenden Handgesten gefällt mir sehr gut. Sie bedeuten: Meine Gedanken für dich, meine Worte für dich, mein Herz für dich. Frieden sei mit dir.
ICH WÜNSCHE MIR ...
PINDACTICA: Was wünschst Du Dir denn für Dein Projekt? Es sind ja mittlerweile drei CDs, die Ihr produziert habt, weil das Ganze so erfolgreich ist. Wie soll es weitergehen?
ELENA MARX: Ich wünsche mir, da wir so viele Liveauftritte haben, dass es uns gelingt, noch einen anderen Fokus mit reinzubekommen. Es ist viel Arbeit, diese Auftritte, die parallel zu den CDs laufen.
Außerdem gibt es neben den erwachsenen Musikern die vielen, sehr kleinen, aber auch schon größeren Kinder. Wir haben neben dem Multikulti-Aspekt im Grunde auch so einen Generationenaspekt, den ich sehr sehr schön finde. Normalerweise sind die Menschen immer in Sparten eingeteilt und das hat auch sicherlich seine praktischen Gründe, in Schule und Kita und so weiter. Ich finde es aber schön, wenn auch Jugendliche was mit kleinen Kindern machen. Oder wenn kleine Kinder von früh an, ohne Angst, lernen, bei Auftritten sich auch zu präsentieren.
DIE GRENZEN VON EHRENAMT
Und ich wünsche mir viel Erfolg bei den Konzerten und natürlich auch beim Verkauf der CDs und dass wir es mit der Zeit vielleicht auch schaffen, mal eine staatliche Förderung zu bekommen. Dass das nicht nur eine völlig ehrenamtliche Tätigkeit ist, sondern dass das, was wir tun, auch ein bisschen besser bezahlt wird, das wäre ein schöner Aspekt.
PINDACTICA: Ich wusste nicht, wie viel Ehrenamt in Eurer Tätigkeit steckt.
ELENA MARX: Ja, es ist so, trotz großer ausverkaufter Häuser. Wenn so ein Konzert frei finanziert ist, dann sind die Mieten irre teuer. Wir waren im Admiralspalast und hatten 1050 Zuschauer und trotzdem haben wir nichts verdient. Dreißig Proben und die Musiker haben zweihundert Euro bekommen. Das sind alles Bekannte und Leute, die an das Projekt glauben und die machen das alle mit. Und trotzdem ist mir natürlich klar, dass das in keinster Weise eine angemessene Bezahlung für das ist, was die da leisten. Und da wünsch‘ ich mir, zumindest in meinen Träumen, dass man das besser finanzieren könnte. Nichtsdestotrotz macht es mir viel Spaß und ich verbringe viel Zeit damit.
HÖCHSTLEISTUNG UND GRUNDMUSIKALITÄT
PINDACTICA: Wie erklärst Du Dir den Erfolg dieses Projekts?
ELENA MARX: Also der Erfolg bei den CDs, der liegt sicherlich daran, dass wir versuchen, die Kinder in ihrer Kindlichkeit wahrzunehmen, aber trotzdem einen musikalischen Anspruch nicht verlieren. Es gibt in Deutschland wenig natürlichen Zugang zu einer Grundmusikalität, der keine Höchstleistung beinhaltet.
Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das in frühen Kindestagen angefangen wird, dass Menschen lernen, sich zu bewegen und sich in ihrem Körper wohl zu fühlen und zu singen.
Bei uns ist alles spezialisiert. Also, man geht in den Sportunterricht und man macht eine bestimmte Sportart oder man lernt, ein Instrument zu spielen. Aber so eine Grundmusikalität, die eben einfach auch eine Freiheit darstellt, das gibt’s hier ganz, ganz wenig. Warum zum Beispiel der Gebrauch der Stimme so völlig verschwunden ist und alles in ein leises Sprechen [lacht] zusammengeschrumpft ist. Auf jeden Fall wird bei uns viel an Institutionen abgegeben. Also, die bildungsnahen Schichten, die es ganz besonders gut mit ihren Kindern meinen, die schicken ihre Kinder in diverse Frühunterrichte, wo ich jetzt auch nicht grundsätzlich sage, dass das nicht gut ist. Das Problem dabei ist, dass all das, was Kleinkinder erleben auch zu Hause gelebt werden muss. Wenn Musik zu Hause nicht stattfindet, dann nutzen auch die differenziertesten Spezialunterrichte nichts. Letztlich braucht man eine Gemeinschaft, in der das praktiziert wird.
LETZTLICH BRAUCHT ES GEMEINSCHAFT
Wenn man eine Gemeinschaft hat, in der alle das Gleiche tun, dann akzeptieren das Menschen auch erst mal auf gewisse Weise, kommen da rein und leben das mit. Bedauerlicherweise gibt es ja bei uns in der Schule auch noch diese starke Einteilung in Haupt- und Nebenfächer. Der ganze ästhetische Bereich Kunst und Musik fällt dabei hinten runter, ganz im Sinne von Pisa, was eigentlich sehr, sehr tragisch ist.
Außerdem weiß man mittlerweile auch, Musik kann unterstützen. Man lernt andere Fächer leichter und besser, wenn man sie zum Beispiel auch musikalisiert.
PINDACTICA: Es macht vor allen Dingen auch Spaß.
ELENA MARX: Wenn es Spaß macht, dann ist der Bildungsaspekt nahezu automatisch drin. Bildung fällt dann auf einmal ganz leicht, weil man einfach mit Freude und vielen Emotionen dabei ist. Irgendwie haben das alle bei ihren Bildungsplänen vergessen. Im Grunde glaube ich, dass viele Menschen mit diesen Fächern viel mehr anfangen könnten und am Schluss eigentlich auch viel klüger wären.
PINDACTICA: Vielen Dank für das Gespräch.